Liebe Mitbürgerinnen,
Liebe Mitbürger,
am vergangenen Sonntag haben wir den letzten Gottesdienst in der Sankt Josef Kirche in Görgeshausen gefeiert und uns anschließend zu einem gemeinsamen Dorffrühstück versammelt. Ich möchte mich nochmals bei allen bedanken, die zum Gelingen dieser besonderen Feier beigetragen haben. Meine Gedanken zu diesem besonderen Anlass habe ich bereist am Sonntag vorgetragen und habe sie nachfolgend nochmals abgedruckt. Damit ist alles gesagt.
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Liebe Mitbürgerinnen,
Liebe Mitbürger,
heute ist ein besonderer Tag für unsere Gemeinde. Wir haben jetzt gemeinsam den letzten Gottesdienst in unserer Kirche Sankt Josef gefeiert. 72 Jahre Kirchengeschichte gehen heute zu Ende.
Zunächst gilt mein Dank allen Mitwirkenden, die zum Gelingen dieser besonderen Feier beigetragen haben.
Herr Pfarrer Rösch, ihnen danke ich für die Gesamtleitung des Gottesdienstes und für die einfühlsamen Worte zu diesem einmaligen Ereignis für unsere Gemeinde.
Dem Projektchor und der Leiterin Salome Reuscher danke ich für den wunderbaren Gesang und die feierliche Untermalung der Feier.
Den Kindern und den Erzieherinnen unseres Kindergartens danke ich für die Mitgestaltung des Gottesdienstes.
Der Organistin, dem Küster sowie den Meßdienern gilt mein herzlicher Dank für Ihren Dienst in all den vergangenen Jahren und ganz besonders für die heutige Unterstützung und Gestaltung der Meße.
Und nicht zuletzt danke ich allen Menschen, die heute Morgen den Weg zu diesem letzten Gottesdienst gefunden haben.
Aber meine Gedanken sind aber auch bei den Menschen, die nach dem Krieg hier in Görgeshausen dieses Gotteshaus geplant und errichtet haben. Unter größten Entbehrungen hat der gesamte Ort Stein für Stein aus dem Steinbruch in unserem Wald geholt und hier zu einer Kirche zusammengefügt. Aus alten Quellen ist zur erfahren: Wir hatten kein Geld, aber Gottvertrauen. Den Erbauern gelten meine größte Hochachtung und mein Dank für das vollbrachte Werk.
Mein Dank gilt aber auch dem Kirchenförderverein, der in den letzten Jahren sich in vorbildlicher Weise um den Erhalt unserer Kirche gekümmert hat.
Wir alle können heute dankbar sein für den soeben erlebten außergewöhnlichen Moment und bin wirklich froh, dass wir nochmal diese ganz eigene Atmosphäre in unserem Gotteshaus erfahren durften.
Viele von uns verbinden mit diesem sakralen Raum sehr persönliche Erfahrungen, wir wurden hier getauft und haben so den Zugang zur Kirche gefunden, als Kinder sind wir dann zur Weihnachtskrippe gezogen und haben uns gefreut, wenn der Groschen dem gnädigen Diener ein Nicken abverlangt hat und das Jesukind in der Krippe lag, als Schulkinder haben wir die heilige Kommunion empfangen und jeder von uns erinnert sich gerne an diesen ganz besonderen Tag seiner Kindheit, im Anschluss sind hier viele Meßdiener geworden, wir haben am Glockenseil geläutet, Orgel gespielt oder auch mal den Meßwein probiert sowie die Hostien aufgegessen, auf der Kirchwiese haben wir mit den Pfarren Fußball gespielt und auch mal die Scheiben eingeschossen, der eine oder andere ist schon mal mit dem Fahrrad durch dieses Gotteshaus gefahren oder hat es sich im Beichtstuhl gemütlich gemacht.
Als Jugendliche wurden wir hier gefirmt und es war immer etwas besonderes, wenn der Bischof zu diesen Anlässen nach Görgeshausen gekommen ist.
Wir haben hier geheiratet und unsere Kinder taufen lassen. Unsere Eltern und lieben Angehörigen haben wir hier auf ihrem letzten Weg begleitet. Für all diese Dinge können wir heute froh und dankbar sein.
Aber nicht nur diese Erlebnisse verbinden wir mit diesem Gebäude, besonders für die älteren unter uns war dieser Raum, ein Raum der Stille, der Besinnung, der Hoffnung und des Trostes. Hier haben die Menschen unseres Ortes gebetet, gesungen und Kraft für ihren Alltag gefunden. Wir werden es in Zukunft sicherlich vermissen. Neben der Dankbarkeit empfinden wir aber auch heute Wehmut und Traurigkeit und wir fragen uns, wie konnte es eigentlich dazu kommen.
Natürlich hat sich die Gesellschaft seit dem Bau der Kirche grundlegend verändert. Die Menschen sind freier und unabhängiger geworden. Auch sind Fehler der Amtskirche nicht ganz unerheblich für die derzeitige Entwicklung. Aber wenn wir uns ehrlich machen, liegt es wohl am meisten an uns selbst. Jedem einzelnen war dieses Gotteshaus nicht mehr so wichtig, es ist uns gleichgültig geworden. Schön, dass die Kirche da ist, wenn man sie braucht, aber so richtig zieht es uns nicht mehr dahin.
Den unerschütterlichen Glauben, den unsere Großeltern und Eltern hatten, haben wir verloren. Und ich bedauere es, dass uns damit auch die Quelle der Kraft und des Trostes verloren gegangen ist.
Wie viele wissen, bin ich mit fünf Geschwistern aufgewachsen, und ich denke oft an meine Mutter, die viel Arbeit mit uns hatte und manchmal mit ihren Kräften an ihre Grenze kam. Aber, wenn sie dann nach einem Besuch der Maiandacht nach Hause kam, war sie ein neuer Mensch geworden und ich habe erlebt, dass der Glaube Berge versetzen kann.
Da nun die Dinge nicht mehr zu ändern sind, möchte ich den Gedanken der Veränderung für unsere Kirche nach vorne stellen. Veränderung bedeutet zunächst von Altbewährtem Abschied zu nehmen, aber ohne zu Verzagen und enttäuscht zurückzublicken, sondern mit Mut und Zuversicht die neuen Möglichkeiten zu erkennen.
Wir können uns eingraben und entmutigt die Zustände beklagen oder wir gehen gemeinsam die Sache an, um etwas Positives für uns alle aus dieser Situation zu machen.
Hierzu lade ich Sie alle herzlich ein. Machen wir uns auf den Weg und schaffen etwas für die Zukunft, das uns alle bereichert.
Wir wollen mit Freude und Neugier die neuen Chancen in den Blick nehmen und aus der schwierigen Situation etwas Neues, etwas Gutes schaffen.
Dazu haben sich die Bürger von Görgeshausen schon aufgemacht. Im Rahmen eines runden Tisches haben wir erkannt, dass wir mit einem sozialen Wohnprojekt, dem Sinn der Erbauer dieser Kirche und seiner zukünftigen Bestimmung am nächsten kommen.
Gemeinsam haben wir Beispiele in Martinsthal und in Mengerskirchen besucht und festgestellt, ja das könnte auch für uns das Richtige sein.
Ich habe mir weitere Beispiel in Hetzerath und in Gillenfeld in der Eifel angesehen. Die Ortsgemeinde hat sich erfolgreich für das Förderprogramm „Wohnpunkt RLP“ beworben und ist eine von zehn Fördergemeinden in Rheinland-Pfalz.
Gemeinsam mit der Kirchengemeinde wurden Konzeptpläne für ein soziales Wohnprojekt erstellt und zurzeit laufen Gespräche mit Investoren und sozialen Trägern um dieses besonderen Gebäude, auch in Zukunft einer sinnvollen und vor allem sozialen Nutzung zuzuführen.
Dabei war es der Ortsgemeinde immer wichtig, dass sie einen Raum der Stille in diesem Gotteshaus einrichtet, der für eine Andacht oder ein gemeinsames Gebet genutzt werden kann oder auch nur für jeden einzelnen einen Raum der Besinnung oder der Stille darstellt, den man gerne aufsucht.
Der Raum soll aber auch für Konzerte oder Lesungen jederzeit zur Verfügung stehen. Es ist beabsichtigt, bei der Innengestaltung sakrale Gegenstände aus der Kirche dort wieder zu verwenden und so die Erinnerung an die Vergangenheit wachzuhalten.
Die Ortsgemeinde hat die erforderliche Änderung des Bebauungsplanes schon weit vorangetrieben, wir rechnen in etwa sechs bis acht Monaten mit dem Satzungsbeschluss.
Sie sehen also es geht voran und wir haben schon gemeinsam einen Teil der Wegstrecke bewältigt. Sicher sind wir noch nicht am Ziel, aber ich lade alle herzlich ein mit uns gemeinsam weiterzugehen und dass wir uns der Verantwortung für dieses besondere Erbe bewusst sind.
Schließen möchte ich mit einem Gedicht von Hermann Hesse, es heißt Stufen mit dem berühmten Vers „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ der in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist.
Hesse beschreibt in dem Gedicht, das jede Lebensstufe zeitlich begrenzt ist und zur jeweiligen Zeit blüht. Der Mensch soll sich also bei jedem Ruf des Lebens mit Tapfer- und Heiterkeit sowie ohne Trauer von seinem alten Lebensstadium verabschieden und einen Neubeginn wagen.
Martin Bendel
Ortsbürgermeister